Soziale Unsichtbarmachung

Soziale Gruppenarbeit am Standort Grundschule

Ein sozialpädagogischer Handlungsansatz

Theoretische Auseinandersetzung mit dem Konzept der Anerkennung führt zur Konzeptbildung eines sozialpädagogischen, in der Praxis umgesetzten Handlungsansatzes.

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Die theoretische Konstruktion des sozialpädagogischen Handlungsansatzes wird anhand einer Einzelfallstudie ausführlich dargestellt.

Kernthesen der vorliegenden Arbeit sind, dass die Einschränkung bzw. die Verweigerung von solidarischer Anerkennung gegenüber Kindern dazu führt, dass die psychische Ressource des Selbstwertgefühls erschüttert wird. Wird das Selbstwertgefühl eines Kindes erschüttert, so entwickelt dieses Verhaltensweisen, die von mir in Anlehnung an D.W. Winnicott im Begriff „Antisoziale Tendenz“ zusammengefasst werden. Mit der vorliegenden Arbeit wird das Konzept der Anerkennung von A. Honneth mit einer sozialpädagogischen Methode verknüpft und eine mögliche Umsetzungsform in die Praxis vorgestellt. Zuerst mache ich den Begriff der Anerkennung für das von mir entwickelte Konzept der Sozialen Gruppenarbeit nach 27/29 SGB VIII fruchtbar, und zwar mit den drei „Säulen“ Liebe, Recht und Solidarität als Formen der Anerkennung.

Zentral ist dabei für mich Honneths Begriff der Unsichtbarmachung. Es geht mir darum, ihn mit den Mustern intersubjektiver Anerkennung weiterzuentwickeln. Die erste Form der Anerkennung ist die der elterlichen Liebe mit der Anerkennungsweise der emotionalen Zuwendung. Diese trägt dazu bei, dass Kinder die psychische Ressource des Selbstvertrauens aufbauen können. Die liebevolle Zuwendung der Eltern sowie Ermunterungen aus der Erwachsenenwelt allgemein tragen unter anderem dazu bei, dass die Kinder Bedürfnisse und Wünsche als artikulierenswert und als Teil der eigenen Persönlichkeit begreifen lernen. Als nächstes folgt das Anerkennungsverhältnis des Rechts mit der Anerkennungsweise der kognitiven Achtung; die Ausstattung mit Rechten und Pflichten trägt dazu bei, dass die Subjekte Selbstachtung erlangen. Solidarität ist die dritte wichtige Anerkennungsform. Sie basiert auf sozialer Wertschätzung. Diese vermittelt ein Bewusstsein davon, dass jedes Individuum über gute und wertvolle Fähigkeiten und Eigenschaften verfügt, die gefördert werden müssen. Positive Selbstschätzung entsteht dann, wenn jedes einzelne Subjekt in der Weise anerkannt wird, dass die Gemeinschaft die Fähigkeiten des Subjekts als wichtig für sich selbst erachtet, dass sie diese fördern will und dass sie die von dem Subjekt erbrachten Leistungen anerkennt. Solidarität trägt dazu bei, dass sich Selbstwertgefühl als psychische Ressource entwickeln kann. Die Studie befasst sich mit der Antisozialen Tendenz von Kindern. Daher war es notwendig, die Anerkennungsform der Solidarität auf die kleinste Gesellschaftsform zurückzuführen. Das ist die Familie.

Das Anerkennungsverhältnis der Solidarität begreife ich nach dieser Rückführung als elterliche Solidarität. Eltern, die ihren Kindern die elterliche Solidarität einschränken bzw. verweigern, so eine weitere Kernthese, machen die eigenen Kinder sozial unsichtbar. Eingeschränkte elterliche Solidarität zeigt sich darin, dass die Fähigkeiten der Kinder nicht mehr gefördert und ihren erbrachten Leistungen kein Wert mehr beigemessen wird. Verweigerte elterliche Solidarität zeigt sich darin, dass die Kinder in die Konflikte der Erwachsenenwelt miteinbezogen werden bzw. darin, dass die Eltern sich falscher Erziehungsstile bedienen. In den Kindern entsteht dann das Gefühl, nicht gesehen zu werden. Das wiederum führt zu einer Erschütterung ihres Selbstwertgefühls. Die Erschütterung des Selbstwertgefühls zieht die Erschütterung der psychischen Ressource des Selbstvertrauens nach sich. Wird das Selbstvertrauen erschüttert, können die Kinder die eigenen Bedürfnisse und Wünsche nicht mehr in die Eltern-Kinder-Interaktion einbringen. Sie ziehen sich zurück in eine spezifische Sprachlosigkeit und zeigen stattdessen Verhaltensauffälligkeiten, die auch ihr Verhalten in Hort oder Schule prägt. So entstehen Verhaltensweisen, die ich im Sinne der Antisozialen Tendenz als leise oder laute Verhaltensauffälligkeiten bezeichne.

Im Anschluss an meine theoretischen Überlegungen stelle ich einen Einzelfall dar; mit diesem weise ich exemplarisch nach, dass das von mir erarbeitete Konzept der Anerkennung mit der sozialpädagogischen Methode der Sozialen Gruppenarbeit und deren direkten und indirekten Instrumenten einen sinnvollen sozialpädagogischen Handlungsansatz darstellt, mit dem Kinder sozial sichtbar gemacht werden können. Mit der Wiedererlangung ihres Selbstwertgefühls, stärkt sich auch ihr Selbstvertrauen; sie verstehen die eigenen Wünsche und physischen Bedürfnisse wieder als artikulationsfähigen Teil ihrer Persönlichkeit und bauen die „Antisoziale Tendenz“ Schritt für Schritt ab.